Was werde ich in 5 Monaten zum Lunch aussuchen oder abends an der Bar bestellen? Welche Produkte landen im Einkaufswagen oder der Lunch-Box? Wissen Sie noch nicht? Könnten Sie aber dank der zahlreichen Zukunfts-Prognosen zum Thema Food und Drinks.

Wir dachten uns, warum nicht mal zurückblicken auf das, was war? Die Zehnerjahre dieses Jahrtausends waren spannend und abwechslungsreich, wenn es um das Thema Ernährung geht. Und: statt Social Media Hype-Foods wie Mermaid-, Unicorn-, oder Cronut zu befeuern den Blick auf die Phänomene der Zehner-Jahre werfen, die uns auch in den Zwanzigern begleiten werden…

1. Vom Fast Food zum Handwerks-Produkt. Burger-Kultur reloaded

Angesagte Burger-Läden gibt es deutschlandweit und längst jenseits der urbanen Metropolen Berlin, Hamburg, Köln oder München. Die Renaissance des Burgers in den letzten zehn Jahren ist erstaunlich. Während große US-Burgerketten mit fortwährenden „Innovationen“ versuchen, Ihre Kunden zurückzuholen, gelingt es kleineren Burger-Restaurants und Fast Casual Konzepten besser, die Lust auf Burger und moderner Dining Kultur zu verbinden. Man spricht nun über die Beschaffenheit eines Patties und die hausgemachte Trüffelmayonnaise. Was schaffen inhabergeführte Läden wie beispielsweise OTTOS Burger (Hamburg), Die Hamburgerei (München) oder System-Gastronomie-Konzepte wie Peter Pane oder Hans im Glück? Es ist die gekonnte Kombination aus Ausdifferenzierung, Kreativität und Premiumiserung. In den Zehner-Jahren ist Burger-Essen salonfähig und hip geworden. Selbst gebackene Buns (Brötchen), Fleisch mit transparenter Herkunft oder kreativere Beilagen wie Asiatischer Cole-Slaw oder Süßkartoffel-Pommes. Heute selbstverständlich – in den Nullerjahren noch unbekannt.

Ausblick: Wie geht es weiter mit dem Burger?

„Eines Tages wird pflanzliches Fleisch das tierische Fleisch überholen. Ich kann nicht sagen wann, aber ich glaube, es wird zu meinen Lebzeiten geschehen.“ Sagt Ethan Brown, der Gründer des kalifornischen Unternehmens Beyond Meat.

2020 steht der Fleischburger im ständigen Pitch. Im Zuge einer zunehmenden Vegetarisierung und Veganisierung wächst das . Die Erfolgsformel der neuen Anbieter: fleischfreie Produkte, die ihren Originalen sowohl im Aussehen also auch geschmacklich verblüffend ähnlich sind.

2. Vom Fernsehbier zu Craft-Beer. Ein bisschen mehr Punk im deutschen Biermarkt.

Klein und fein als Erfolgsformel gilt nicht nur für den Burger, sondern auch für das Bier. Die Zehner-Jahre haben gezeigt, dass Pils, Weizenbier und Helles neue kreative Mitspieler bekommen haben. Zahlen belegen trotz des Craft-Bier Hype seit einigen Jahren einen rückläufigen Konsum von Bier in Deutschland. Treiber sind unter anderem der demografische Wandel und veränderte Konsumentenwünsche. Craft Bier brachte neue Impulse in den traditionellen Biermarkt. Neue (alte) Brauereien schossen aus dem Boden: Allein in Berlin-Brandenburg sind in den vergangenen zehn Jahren laut statistischem Bundesamt rund 30 neue Brauereien entstanden. Deutschlandweit gibt es laut Schätzungen um die 250 unterschiedlichen Craft-Biere.

Alte Rezepte und neue Flaschendesigns schufen Abwechslung in einer Kategorie, die neben Lemon und Grapefruit nicht viel an geschmacklicher Variation bot. Heute gibt es Bier mit Mango oder Karamellgeschmack. Branchenmessen wie die Internorga etablierten eine eigene Craft-Beer Arena mit Experten und Austausch rund um die neuen (wilden) Brauereien. 5 Euro für eine Pulle Bier? In den Zehnerjahren durchaus eine Option. Was bisher nur vom Wein bekannt war ist inzwischen auf die Kategorie Bier übergegangen: kunstvoll gestaltete Etiketten, ausgefallene Namen (z.B. Magic Rock Neo-Human Cannonball Beer), ausgesuchtes Verpackungsdesign mit Ausweisqualität, Tastings mit Connaisseuren ihres Fachs.

Adé standardisiertes Fernsehbier – willkommen Vielfalt, Kreativität und feiner Geschmack. Inhaber geführte Spezialistenläden wie Beyond Beer (Hamburg) oder Tante Frizzante (Berlin) zeigen, dass Bier eine neue Kennerschaft und Fans versammelt.

Ausblick: Wie geht es weiter mit dem Craft Bier?

Der Markt aus klassischen Brauereien, kleinen traditionellen Anbietern und den zahlreichen neuen jungen wilden Kleinstbrauern wird sich konsolidieren. Dr. Jörg Lehman, Präsident des Deutschen Brauer-Bundes schätzt den Markt in einem Interview zu Gunsten des Craft Bieres ein: „Ich bin sicher: Craftbier ist gekommen, um zu bleiben.“ Er sieht jedoch auch eine erste Konsolidierungswelle im Craft-Bier Segment. Der steigende Kostendruck mache auch vor Start-ups nicht halt. Die Radeberger-Gruppe verkündete zum Jahresbeginn 2020, die Preise für Bier anzuheben. Parallel dazu scheint auch Craft-Bier Branche dem Hype etwas müde geworden zu sein, zumindest klingt dies im Interview der deutschen Biersommeliére Nina Klotz mit dem Branchenblog Beerwulf bereits 2019 durch und passt auch zu 2020: „Wenn alles gut läuft, werden wir 2019 etwas entspannen, der Craft-Hype wird zurückgehen und wir werden wieder über „einfach gutes Bier“ sprechen und nicht darüber, ob das Label „Craft“ verdient ist oder nicht.“ Ihr Wunsch passt zu Presse-Artikeln, indem immer öfter auch mal über von „Größenwahn“, „Marketinglüge“ und „Seifengeschmack“ im Kontext von Craft Bier geschimpft wird. Fakt ist: der Biermarkt ist bunter und verrückter geworden – das ist aus unserer Sicht erst einmal begrüßenswert. Was bleiben darf bestimmt am Ende sowieso der Konsument und der scheint der neuen Geschmacks- und Brauvielfalt noch lange nicht müde geworden zu sein.

3. Was ist mit den LOHAS los? Was Birkenstocks über den aktuellen Ernährungszeitgeist aussagen.

Die Kombination aus Birkenstock und Müsli galt lange Zeit als Synonym für den überzeugten deutschen Öko  Etwas angestrengt, etwas staubig, In den Zehnerjahren änderte sich das Bild radikal. Und heute ist klar: Birkenstock ist längst eine globale Lifestyle-Sandale für Menschen mit Haltung geworden, ein Fashion Item und Must-Have. Müsli ist nicht mehr staubig und langweilig, sondern lecker, gesund und hip.

Als Inbegriff dieses Wandels lassen sich noch einmal die LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) hervorzerren. Der Begriff selbst wird heute nur noch selten verwendet, wofür er steht ist jedoch präsenter denn je: Menschen, die wissen wollen, woher ihr Essen kommt, wie es hergestellt wurde und aus was es konkret besteht. In der Kurzformel: Nachhaltigkeit und bewusster Konsum als Lifestyle.

Im Zuge dieses Wandels haben sich biologische Lebensmittel im Laufe der Zehnerjahre demokratisiert. Neben Bio-Supermärkten bieten auch der LEH und Discount-Riesen eigene Biolinien an. Die Ausgaben für Bio-Lebensmittel haben sich in den letzten 10 Jahren verdoppelt. Laut Statista setzte der deutsche Lebensmittelhandel 2018 mit dem Verkauf von Lebensmitteln in Bio-Qualität rund 10,9 Milliarden um. Parallel dazu erfährt vor allem im urbanen Kontext Regionalität und Lokalität eine Renaissance. Je lokaler desto besser.

Ausblick: Vom LOHO zum Konsumverzichter.

Die Tatsache, dass es um den Begriff LOHAS als solches stiller geworden ist, liegt nicht daran, dass er an Relevanz verloren hat, sondern vielmehr daran, dass das einst Neue: die Kombination aus Bio bzw. Nachhaltigkeit und Lifestyle heute quasi in die DNA von Konsumenten übergegangen ist. Inzwischen geht es vielmehr um eine ganzheitliche Betrachtung eines Food-Produkts. Während die Diskussion in den Zehner-Jahren noch primär Ego-Konzentriert war: biologische Ernährung definiert als gesündere Ernährung, die eine gutes Gewissen bringt verschiebt sich der Fokus aktuell.

Junge Konsumenten stellen klassische Konsummuster auf den Prüfstand. Klimafreundlich, Gut fürs Tier, möglichst verpackungsarm – so lauten die neuen Prioritäten beim Einkauf. Konsumenten werden kreativer indem sie gebraucht kaufen, Wiederverwenden, oder den Kauf sogar vermeiden. Minimalismus wird nicht nur zu einer Ästhetikmaxime in der Einrichtung, sondern auch für die Ernährung. Besser zu Essen wird mehr denn je zu einer Haltung, die nicht mehr nur das eigene Selbstbefinden bestimmt, sondern dass der nächsten Generationen. Ethischer Konsum wird zum Must-do. Zentraler Impulsgeber für kommende Food-Innovationen: „Waste-Not“ und „Leftovers“.

4. Vom Filtercafé zur „Latte-Macchiato-risierung“ und zurück.

„Gefleckte Milch“ war das Getränk der frühen Zehnerjahre. Noch nicht gehört? Latte Macchiato sicher schon, denn nichts anderes bedeutet „gefleckte Milch“ auf Italienisch, da der Milchanteil sehr viel höhe als der Espressoanteil ist.

Im bisher sehr traditionell durch Filterkaffee geprägten Deutschland avancierte der Latte Macchiato zum IT-Kaffeegetränk und stahl auch dem Cappuccino die Show. Geschäumte Milch mit Kaffee und das am besten im großen Glas wurde zum festen Bild in dieser Zeit. Hinzu kam eine Vorliebe für süße Flavors von Vanille, über Karamell bis hin zu Pfefferminze.

Kaffee ist in den Zehner Jahren komplex geworden. Die Auswahl bei den sich ausbreitenden amerikanischen Kaffeeketten wie Starbucks oder deren deutschen Pendants machte deutlich: Kaffee ist nicht gleich Kaffee. Im Zuge einer zunehmenden on-the-go Lebenskultur wurde auch der Kaffee am Morgen nicht mehr am heimischen Frühstückstisch getrunken, sondern quasi überall. Der To-Go Becher wurde zum Inbegriff von moderner Genusskultur und stolz vor sich hergetragen. Kaffeespezialitäten sollten zudem auch zuhause verfügbar sein und sorgten für eine „Verkapselung“ der heimischen Küche, wo auch Knopfdruck auch der Laie auf ausgefallene Wünsche eingehen könnte. Kaffee wurde als Getränk sexy – das lag nicht nur an George Clooney als Testimonial für Nespresso. Inzwischen ist das Bild ein anderes: Der Latte Macchiato ist zwar immer noch beliebt, aber er hat ordentlich Gesellschaft bekommen. Mit der Third Coffee Wave hat sich die Kaffeelandschaft ab Mitte der Zehnerjahre noch einmal gewandelt. Zurück zum Filtercafé, eine noch stärkere Ausdifferenzierung mit Optionen wie dem Flat White oder Cold Brew. Der Beruf des Baristas impliziert meist noch Bart und Tattoo als Einstellungskriterium. Filterkaffee, mit dem alles begonnen hat ist zurück und auf einmal hip. Der Melitta-Porzellanfilter findet wieder Verwendung in urbanen Haushalten. Cafés präsentieren Apparaturen und Glasgefäße, die eher an ein Chemielabor, als eine Kaffeemaschine erinnern. Parallel dazu sorgt vor allem Instagram für zahlreiche Hypes: Pink Latte (mit Roter Beete), Mermaid Latte (mit Spirulina) oder die Goth Latte (mit Aktivkohle) sorgen temporär für Aufregung.

Ausblick: Wie trinken wir Kaffee 2020?

Was sich am Ende der Zehnerjahre schon anbahnte wird sich in den Zwanzigern fortsetzen: die Kaffeekultur ist vielfältig, wird jedoch nachhaltiger. Während Lokalität in punkto Bohne nicht umsetzbar ist, werden alle anderen Aspekte angegangen. Bewusster Konsum und Nachhaltigkeit spielen eine zentrale Rolle. Aktuelle Prognosen gehen aufgrund des Klimawandels davon aus, dass Kaffee sehr viel teurer werden wird. Ein weiterer Wandel: Die Herkunft der Milch bzw. deren Ersatz durch Milchalternativen wie Hafer, Mandel oder Reismilch. Sojamilch ist eher in Verruf geraten. Der To-Go Becher ist möglichst nachhaltig hergestellt oder wird am besten ganz weggelassen. Stattdessen bringt der achtsame Kaffeetrinker seinen eigenen Thermobecher mit oder nutzt Angebote wie einen Pfandbecher von Recup. Angesagte Kaffeeläden wie der Hamburger Törnquist setzen durch und durch auf Minimalismus und bieten nur drei Versionen von Kaffee an: “Flat White“, „Handbrew“ und „Shot“ und proklamieren: Kein Espresso (zu stark), kein Zucker (geschmacklicher Frevel), Keine Extras, Kein “to go”.

Kaffee als Trend-Ingredient taucht auch in Limonaden auf (z.B. Selo mit der Kaffeekirsche). Volvic brachte 2019 ein Mineralwasser mit Kaffee und Frucht-Flavors als Alternative zu Eistee heraus. In Bars serviert man Espresso Tonic. Und auch Cold Brew und Nitro Coffee breiten sich nach amerikanischem Vorbild zunehmen im Mainstream aus. In den USA wird die aus Lateinamerika und Spanien bekannte Horchata als neuer Kaffeetrend gehandelt: ein süßes Getränk aus Erdmandelmilch oder Reismilch, dass neuerdings auch mit Kaffee kombiniert wird.

 

5. „Keep Calm and stay sober“. Die neue Lust auf null Prozent. Von Flat-Rate Parties zu Mocktails mit Klasse

Für 12 Euro trinken bis der Arzt kommt, das galt zu Beginn der Nullerjahre als erfolgreiches und zugleich umstrittenes Partykonzept. Das Prinzip der Flat-Rate wurde deutschlandweit auf Partys übertragen und sorgte für ordentlich Schlagzeilen. 2007 wurde dem sogenannten „Komasaufen“ gesetzlich der Riegel vorgeschoben. Im Laufe des letzten Jahrzehnts entdeckte man, dass weniger zu trinken auch hip sein kann. Dies belegt zum einen auch die wachsende Nachfrage nach leichteren Biermischgetränken und alkoholfreien Innovationen innerhalb des ansonsten schrumpfenden Biermarktes. Mit dem Trendlimonaden-Hype (den Startschuss gab vor allem Bionade) – wächst das Angebot an interessanten nichtalkoholischen Varianten. Der Januar gilt inzwischen nicht nur als ein Monat der guten Vorsätze sondern auch der handfesten Umsetzung, indem immer mehr Menschen Alkohol detoxen. Während man in den 1920ern noch heimlich gegen die Prohibition antrank u.a. in sogenannten Flüsterbars, verzichtet man in den 2020ern ganz freiwillig. Auch von wissenschaftlicher Seite wird das Thema gepusht: So bestätigt Helmut Seitz, Direktor des Alkoholforschungszentrums der Universität Heidelberg, das bereits ein Monat Alkoholverzicht die Leberwerte verbessere. Der „Dry January“, wie er in UK genannt wird, ist also sinnvoll und führt auch im Freundeskreis für einen angeregten Diskurs.

Ausblick: Null Prozent im Mainstream?

Laut WHO-“Statusreport Alkohol” lag der Alkoholkonsum pro Kopf in Deutschland 2016  höher, als im Europäischen Vergleich und sinkt langsamer als in Nachbarstaaten.

Daran wird der Detox-Januar nicht so schnell etwas ändern. Aber: In der nächsten Dekade wird nach den Vorbildern aus den USA und UK auch Deutschland mehr spannende alkoholfreie Varianten aufweisen.

Immer mehr Marken bringen Innovationen auf den Markt, die den Geschmack von Gin, Rum oder Whisky imitieren. Parties mit besseren Mocktails und Low ABV Drinks gewinnen auch jenseits der Nische an Popularität. 2016 übernahm Branchenriese Diageo 20 Prozent am Start-up Seedlip, einer alkoholfreien Spirituose, die Gin Tonic & Co auch ohne Alkohol zeitgeistig macht. Seedlip kann als Vorreiter einer neuen Generation von No-Alkohol Marken betrachtet werden, indem die recht junge Marke aus UK guten Geschmack, Konsumtrends (Gin/Botanicals) und Gesundheitsbewusstsein geschickt miteinander verzahnt, ohne dabei moralisch zu werden. „Was Du trinken solltest, wenn Du nicht trinkst“ ist das Motto von Seedlip und impliziert: Du wirst vielleicht nicht komplett auf Alkohol verzichten, aber mit mir hast du temporär eine verdammt gute Alternative. Trendy Verpackungsdesign trägt selbstverständlich dazu bei, dass „mit ohne“ an Popularität gewinnt. 2019 hat Diageo nun die Mehrheit am Start-up Seedlip übernommen und nutzt als großer Player seine Ressourcen, das Thema breit zu streuen, wie die erste groß angelegte Kampagne 2020 in UK aktuell zeigt.

 

Bildnachweise:
Bild: Veggie Burger mit Kohlblatt: Toa Heftiba on Unsplash
Bild Craft Beer Schild: Photo by Tom Quandt on Unsplash
Bild: Original Unverpackt: Junala
Bild: reCup: reCup PressKit
Bild: Seedlip Kampagne: Diageo