Das Corona-Virus verändert die Welt. Einhergehend mit den teilweise drastischen gesellschaftlichen Veränderungen seit Beginn der Corona-Krise lassen sich neue Entwicklungen im Konsumverhalten feststellen. Dies betrifft alle Bereiche der Food-Branche von der Ernährung, über das Kochen und Essen bis hin zum Einkauf von Lebensmitteln. Manche der bekannten Food-Trends wurden durch die Pandemie zurückgedrängt, andere wurden verstärkt und einige neue Phänomene, bedingt durch die veränderten äußeren Umstände, entwickeln sich gerade erst.

Der Bereich Essen und Trinken hat im Corona-Alltag enorm an Bedeutung gewonnen. Schließlich wurde in einem veränderten Alltag mit Homeoffice und Kinderbetreuung deutlich häufiger zu Hause gekocht und gegessen. Plötzlich mussten mehrmals pro Tag Haupt- und Zwischengerichte in den eigenen vier Wänden hergestellt oder beschafft werden. Manchen Menschen wurde in diesem veränderten Umfeld erst bewusst, wie begrenzt das eigene Wissen rund um das Kochen und die Zubereitung von Speisen ist. Rezeptdatenbanken hatten Hochkonjunktur, die oft fehlende Küchenausstattung wurde online nachbestellt.

In der Kitchen Stories App gibt es Rezepte per Video.

Neben der Versorgung nimmt das Essen nun auch wieder verstärkt eine „psychologische Funktion” ein: Mahlzeiten helfen dabei, einen (All-)Tag zu strukturieren, den viele aus dem mobilen und fremdbestimmten „Vor-Corona-Lifestyle”, so gar nicht mehr kannten. Essen sorgt zudem in unsicheren Zeiten für emotionalen Halt und einen regelmäßigen Austausch mit dem*r Partner*in und der Familie, wenn Haushaltsmitglieder von ihren improvisierten Arbeitsplätzen und aus den Kinderzimmern am gemeinsamen Esstisch zusammenkommen. Bestimmte Anlässe, wie z.B. ein BBQ bekamen geradezu Event-Charakter in einem ansonsten erlebnisarmen Alltag.

Ein Effekt der Corona-Krise ist, dass Lebensmittel inzwischen verstärkt auf Vorrat gekauft werden. Damit sind nicht etwa irrationale Hamsterkäufe, wie zu Beginn des Lockdowns, gemeint. Vielmehr hat sich in der Breite der Bevölkerung das Bewusstsein durchgesetzt, dass das planvolle Anlegen von Vorräten in diesen ungewissen Zeiten geradezu eine Notwendigkeit darstellt.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Naheliegend ist die Sorge, dass nach einer eventuellen Covid-Infizierung mehrere Tage Quarantäne anstehen können. Aber auch die Erfahrung des permanenten Selbstkochens der letzten Monate hat viele gelehrt, dass eine größere Vielfalt an haltbaren Lebensmitteln das Leben in der Küche leichter macht und für Abwechslung sorgt. Zumal auch davon auszugehen ist, dass das Thema „New Work” eine stärkere Anerkennung erfährt, wodurch sich das Homeoffice als dauerhafte Einrichtung etablieren wird. Und dadurch wird es auch in Zukunft einen hohen Bedarf an selbst zubereiteten Mahlzeiten als Alternative zur bisher üblichen Kantine oder dem Mittagsrestaurant geben.

Während des Lockdowns haben viele der damals geschlossenen Restaurants begonnen, einen Liefer- oder Abholservice einzurichten. Einige Gastronomen gingen sogar noch einen Schritt weiter, indem sie hochwertige Spezialprodukte und vorgefertigte Gerichte verpackten und an ihre Kunden verkauften. Damit deckten sie ganz offensichtlich einen Bedarf bei den Verbraucher*innen, die auch zu Hause nicht auf ein Essen in Restaurantqualität verzichten wollen.

Das Hamburger Restaurant 100/200 entwickelte während des Lockdowns das Konzept der “Grundkiste”.

Die Entwicklungen der letzten Monate zeigen, dass die Mahlzeiten zu Hause wieder einen höheren Stellenwert bekommen bzw. behalten. Hier liegt ein großes Potenzial für Marken, vorhandene Produkte anzupassen und neue Produkte zu entwickeln. Die Bevorratung hat sich während des Lockdowns weiterentwickelt und wird zukünftig nicht nur die typischen Basics umfassen, sondern auch Spezialitäten und komplette Gerichte. Gourmet-, Luxus-, Komfort- und nachhaltige Produkte werden dauerhaft Einzug in den Vorratskammern erhalten. Über die Erfahrung des Selbstkochens sind die Ansprüche und Qualitätsanforderungen der Verbraucher an haltbare, lagerfähige Lebensmittel gestiegen. Abwechslung und Modernität sind gefragt.

Doch was sind in diesem Zusammenhang die Chancen für die Food-Branche? Das „Dosenkochen“ wird sich neu erfinden müssen, denn die Konserve ist nicht länger Ausdruck eines „Low Life“. Sie kommt auf den Esstisch und wird ein essentieller „Systembaustein” von Mahlzeiten. Es ist außerdem zu erwarten, dass viele der neuen Hobbyköche*innen auch in Zukunft hochwertige und nachhaltige Zutaten verwenden wollen. Insofern ist neben erschwinglichen Grundnahrungsmitteln auch der bisher nahezu unbearbeitete High-End-Markt, bspw. für Spezialitäten, Saucen und Feinkost, ein Bereich, der in einer gut sortierten Speisekammer nicht fehlen darf.


Header: Graydon Herriott via https://www.nytimes.com/2020/04/14/dining/sardines-recipes-coronavirus.html

Kitchen Stories: Kitchen Stories

100/200: Restaurant 100/200 via https://100200.kitchen/die-grundkiste

Sardinendosen: The Fresh Market via https://www.thefreshmarket.com/freshfinds