Die traditionelle Barkultur erlebt eine Renaissance und spült eine klassische Spirituose nach oben: Gin. So stand es im Spiegel. Allerdings war das bereits 2012.
Heute, fast 10 Jahre später ist der Gin-Boom ungebrochen. Obwohl dem Gin schon oft das Ende seiner Popularität nachgesagt wurde präsentieren sich noch immer im Wochen-Rhythmus neue Marken und ältere, bekannte Marken werden um frische Varianten ergänzt. Kein Wunder, dass auch Promis wie Ryan Rynolds (Aviation Gin) am hochprozentigen Geschäft mit der Wachholder-Spirituose teilhaben wollen.
Woran liegt es, dass Gin schon so lange „in” ist?
Die naheliegende Antwort: Gin schmeckt! Kaum eine Spirituose hat eine derartige Aromenviefalt zu bieten.
Lange Zeit trank man Alkohol in Bars oder Clubs, um betrunken zu werden. Wirkung war gefragt. Das war die große Zeit des Wodka, der eigentlich nach nichts schmeckt und damit zu allem passt – von Frucht-Cocktails bis hin zu Red Bulll. Inzwischen gibt es einen Trend hin zu Produkten mit Geschmack und einem eigenen Charakter. Mit den vielen geschmacklichen Ausprägungen, die ein Gin dank der individuellen Mischung seiner Botanicals hat, bietet er ein großes, komplexes Spektrum an Aromen. Sehr zur Freude aller Barkeeper, die mit Gin prima experimentieren und mixen können.
Ein weiterer Grund für den Erfolg von Gin ist dessen regionale Verankerung. Generell ist Regionalität eines der wichtigsten Trendthemen bei Lebensmitteln und hier hat Gin den Vorteil, dass jeder Gin-Brenner seiner Spirituose durch lokale Botanicals eine besondere, regionale Note geben kann. So beinhaltet der spanische Gin Mare mediterrane Kräuter wie Rosmarin, der Helsinki Dry Gin finnische Preiselbeeren oder der Monkey 47 aus dem Schwarzwald Fichtensprossen und Blüten von Schwarzwälder Akazien.
Gin gibt es in den unterschiedlichsten Variationen. Viele Impulse gehen dabei von den kleinen Craft-Destillerien aus. Einer der Pioniere der Craft-Bewegung, Gin Sul aus Hamburg, gehört zwar seit 2018 zu Jägermeister – es rücken aber zahlreiche Produkte nach, die hyperlokal und in punkto Verpackung oder Inhalt neue Akzente setzen möchten. Auf der „Destille” in Berlin, die trotz Corona-Virus noch stattfand, stellte zum Beispiel die Nordcraft Hanseatische Destillerie den neuen Nordcraft Dry Botanical Spirit Bete & Beere (Rote Beete trifft Himbeere) vor. Auch andere Hersteller präsentierten Spirituosen-Kreationen, die auf Gemüse statt auf Frucht setzen.
Betrachtet man aktuelle Gin-Innovationen, drehen sich diese neben alkoholfreien Varianten, vor allem um neue Geschmacksnuancen. Es wird blumiger, floraler und optisch bunter. Namen wie Mermaid Gin und PinkSkin machen auf feminin. Newcomer wie Riot Gin nehmen das Trinken kämpferisch.
Branchenreise Diageo setzt nach dem Erfolg des Gordon’s Premium Pink Destilled Gins auf die „Sicilian Lemon“ für seine sonnengelbe Gordon Gin-Version. Ziel: die abenteuerlustigen Konsumenten erreichen. Der Appetit auf unterschiedliche „Styles of Gin“ würde wachsen, sagt Jessica Lace, Head of Gordon’s Europe, dazu gehört aktuell vor allem Gin mit einem zusätzlichem Flavour.
Um die Lifestyle-verliebte Zielgruppe auf Instagram zu begeistern setzten manche Hersteller (unter anderem sogar ALDI Schottland) auf Gin, der die Farbe wechseln kann.
Und mit dem Gin Club aus UK, können sich Gin-Fans im Abo – vergleichbar der Beauty-Box – einen besonderen Gin mit dem passenden Snacks zusenden lassen. Ein Angebot, dass vermutlich in Zeiten des „Social Distancing“ besonders interessant ist.
Spannend ist der erste klimafreundliche Gin, der als limitierte Edition im Frühling dieses Jahres lanciert wurde. Die Arbikie Distillery aus Schottland hat über fünf Jahre an ihrem Nadar Gin aus Garten-Erbsen gearbeitet. Eine 700ml Flasche des Gins hat eine Co2-Bilanz von -1.54 kg CO2. Das heißt: Dieser Gin vermeidet sogar mehr Co2 Emissionen, als er produziert. Alle Bestandteile, die bei der Produktion anfallen, werden verwendet. Die Reste der Erbsen landen bei Farmtieren als Futter. Geschmacklich steht der Nadar Gin seinen klassischen Kollegen wohl in nichts nach. Nach Angaben der Hersteller, schmeckt dieser frisch und fruchtig nach Lemongras und den klassischen botanischen Zutaten.
Der globale Erfolg von Gin ist auch Amazon nicht entgangen: Der Versandriese hat seit 2019 mit „Tovess“ seine eigene Spirituosen-Marke herausgebracht, die bisher ausschließlich online vertrieben wird.
Auch die Marktprognosen sehen kein Ende: Weltweit wurde der Gin-Umsatz für 2019 auf 12,4 Milliarden Euro geschätzt. Laut Prognosen könnten es im Jahr 2023 bereits etwa 14,7 Milliarden Euro sein.
Auch ein seit zehn Jahren dauerboomender Drink kann spannend bleiben. Vielleicht war bei den oben genannten Beispielen auch die eine oder andere Inspiration dabei, um die Hausbar neu zu bestücken…