Dass Kaffee einen eigenen Tag im Jahr zugeschrieben bekommt, um ihn zu feiern, verwundert wohl niemanden. Schließlich ist Deutschland eine Kaffeenation. Pro Person werden rund 164 Liter pro Jahr getrunken, damit ist Kaffee das beliebteste Heißgetränk.

Kein Wunder, denn laut verschiedenster Studien ist Kaffee ein wahrer Superhero, vor allem, wenn er am Arbeitsplatz konsumiert wird: Der Koffein-Konsum kann die Kreativität unterstützen, die Konzentration steigern und sogar Unfälle am Arbeitsplatz verhindern.

Entsprechend investieren immer mehr Unternehmen in besseren Kaffee für ihre Mitarbeiter und bestellen zunehmend „Specialty Coffee“ statt Mainstream-Bohnen oder holen sogar professionelle Baristas in die Firma. Denn: wer beim Kaffee in der Firma genug Auswahl und Qualität anbietet hat zufriedene(re) Mitarbeiter.

Kann guter Kaffee ein Erfolgs-Tool im Employer Branding sein? Firmen wie Nike oder WeWork in Berlin glauben daran und ordern ihren Kaffee bei Premium-Anbietern wie Five Elephant, die neben eigenen Cafés auch im im Nobel-Kaufhaus KaDeWe vertreten sind. Schließlich geht es darum, das Arbeitsumfeld für Mitarbeiter so angenehm wie möglich zu gestalten, um diese idealerweise motivierter (und länger) am Arbeitsplatz zu halten, statt ständig den nächsten Kaffee beim Café um die Ecke zu holen, weil die firmeneigene Plörre ungenießbar ist.

In punkto Produktinnovationen könnte man auf den ersten Blick meinen, dass nach dem Latte Macchiato nicht mehr viel gekommen ist. Klar, ein Flat White ist zumindest in der urbanen Gastronomieszene eine feste Größe auf der Karte. Aber darüber hinaus, liebt man es meist klassisch.

Auf Instagram sieht das allerdings anders aus. Dort jagt eine Kaffee-Neuheit die nächste. Das Ergebnis waren in der Vergangenheit Kreationen wie Pink Latte (mit Rote Beete), Mermaid Latte (mit Spirulina oder Butterfly Pea Flower) oder Goth Latte (mit Aktivkohle).

In der Corona-Krise wurde es nun weniger bunt, dafür umso so fluffigerer. Der „Dalgona Coffee“ (im englischen auch Fluffy Coffee genannt) wurde dank TikTok global bekannt, obwohl seine Zutaten, im Unterschied zu den meisten modernen Kaffeeneuheiten, so gar nichts mit Kennerschaft und dem Zelebrieren der jeweiligen Kaffee-Herkunft zu tun haben. Die Basis ist Instant-Coffee, statt Super-Bohnen. Die Kaffee-Kreation stammt ursprünglich aus Südkorea. Der Name basiert auf einer gleichnamigen südkoreanischen Süßigkeit, die wie der Kaffee schmecken soll. Die Zutaten sind einfach zu bekommen und der fluffige Kaffeeschaum für jeden Zuhause auch ohne Barista Know-How leicht nachzumachen. Unter den Hashtags #dalgonacoffeechallenge oder #dalgonacoffee verbreitete sich diese neue Form des Kaffee für Zuhause rasant über alle sozialen Kanäle.

Die stärksten Innovationen rund um das Thema Kaffee kann man aktuell in der Milch sehen. Viel dreht sich dabei um die „bessere“ Milch oder bessere Milchalternativen. Selbst die Low-Budget-Hotelkette Motel One hat auf Bio-Milch umgestellt und bietet zusätzlich ein breites Angebot an Milchalternativen an. Cafés werben mit den Lieferanten ihrer Milch (in Hamburg u.a. die heißgeliebte Reitbrook Milch).

Und weil die Milchalternativen wie Hafer, Mandel & Co. immer prominenter werden, nicht nur unter Veganern, setzt auch der RTD (Ready-to-Drink) Coffee Markt auf neue Varianten. Vor allem rund um dem Cold Brew wird es zunehmend elaborierter.

Während in Deutschland das Thema noch immer unter Kennern kursiert ist Cold Brew in anderen Ländern schon längst im Mainstream angekommen. Entsprechend differenziert sich der Markt aus. Und so ist Cold Brew Oat M*lk im Frühjahr diesen Jahres in UK auf den Markt gekommen – und soll neben seiner klassischen Variante vor allem Veganer ansprechen, die bewusst auf Milch verzichten. Der „New Orleans“ inspirierte Cold Brew besteht aus Arabica Bohnen, die 18 Stunden lang in kaltem Wasser mit gerösteter Zichorie ziehen.

Vor allem in den USA ist der mit Stickstoff versetzte „Nitro Coffee“ eine beliebte erfrischende Variante des klassischen Kaffees. Verve Coffee hat 2020 neue Varianten innerhalb seiner Nitro Flash Brew Range auf den Markt gebracht. Auf der Website klären sie auf: „This is not Cold Brew“. Verve Coffee legt Wert auf seine nach eigener Einschätzung einzigartige Nitro Flash Coffee Produkte. Ryan O’Donovan, Co-Gründer von Verve Coffee sieht Potential im Ready-to-Drink Kaffeemarkt, denn auch hier sind Konsumenten aufgeschlossener und anspruchsvoller geworden: “Today’s coffee drinkers are more curious and knowledgeable, and they care more about where their food and drinks come from. Ready-to-drink coffee products should be held to the same standards, using only high quality, clean ingredients and crafted with care.”

Kaffee ist längst nicht mehr nur Wachmacher, sondern kann auch zu einer gesunden „Vitalbombe“ werden, die nicht nur leistungsfähiger, sondern auch jugendlicher macht. In dem Zusammenhang spielen Superfoods wie Vital-Pilze, Kurkuma, Maca oder Lucuma eine Rolle.

In den Cafés von L.A. ist es besonders der Collagen Café beliebt, der dort inzwischen zum neuen Mainstream gehört. Prominente Verwenderinnen wie Kourtney Kardashian haben den Hype entfacht, bei dem Kaffee einfach ein Löffel Kollagen-Pulver hinzugefügt wird.

Aktuell ist es jedoch vor allem CBD, das für Innovation im RTD-Kaffee-Segment sorgt. Calm Drinks brachte im Februar in UK einen mit CBD versetzten Cold Brew Coffee heraus. Laut Aussage des Unternehmens vor allem deshalb, weil CBD einen „kometenhafter Anstieg der Nutzung und Popularität“ gezeigt habe.

Parallel zur Ausdifferenzierung und Verwissenschaftlichung des Themas sprechen Kaffee-Kenner und Experten in Deutschland von einer Rückkehr zu „weniger ist mehr“. Die unglaublich große Vielfalt einer Starbucks-Menükarte gibt es zwar noch immer, angesagt ist jedoch eher Einfachheit. Das heißt Filterkaffee ebenso wie ein reduziertes Angebot in minimalistischem Design, wie bei Törnquist in Hamburg. Das Café bietet nur drei Kaffee-Varianten an: „Flat White“, „Handbrew“ und „Shot“. Es gibt ausdrücklich keinen Espresso, kein Zucker, keine Extras und kein to-go. Das ist nicht für jeden etwas, sondern eben für überzeugte Kaffee-Enthusiasten.

Aktuell befinden wir uns noch in der sogenannten „vierten Welle der Kaffeekultur“, in der es vor allem um das Thema Nachhaltigkeit geht. Die über Jahre boomende Nachfrage nach professionellen Kaffeevollautomaten und Kaffee-Kapseln wird nun unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten neu geprüft. Der einstige Glamour-Faktor ist angekratzt. Vor allem Nespresso muss sich diesem Wandel stellen, da Nachhaltigkeit zum wichtigen Kriterium bei der Kaufentscheidung wird. Da passt eine Kaffeekultur, die Tonnen von Müll verursacht nicht mehr gut ins Bild. Laut Nespresso sei portioniertes Kaffeetrinken zwar besser als Filterkaffee, bei dem oft zu viel gebrüht und dann weggeschüttet werde. Doch auch Nespresso geht neue Wege, um sein Umwelt-Image aufzupolieren. Im Herbst 2019 kooperierte es zum Beispiel mit dem schwedischen Start-up Vélosophy für eine Limited Edition für das sogenannte Re:Cycle Fahrrad. Die Idee: recycelte Kaffeekapseln werden zur Produktion von Fahrrädern verwendet werden. Auf diesem Weg soll gezeigt werden, dass Aluminium durchaus ein zweites oder drittes Leben haben kann und keine Recycling-Einbahnstraße ist.

Mehrere Unternehmen beschäftigen sich mit Kapseln, die recycelbar und aus nachhaltigen Materialien gefertigt werden. So hat das Startup Rezemo Kaffee-Kapseln aus Holz entwickelt, die zu 100 Prozent biologisch abbaubar sind. Das sogenannte „100-Prozent-Prinzip“ basiert darauf, dass die Kapseln aus Holzspänen und aus nachwachsenden Rohstoffen gefertigtem Polymer bestehen.

Auch die gesamte Coffee-to-go Kultur wird neu betrachtet. Jeder Deutsche verbraucht durchschnittlich 34 Einwegbecher im Jahr, insgesamt kommen so 2,8 Milliarden Becher und 28.000 Tonnen Abfall zusammen! Das Umweltbundesamt forderte daher bereits eine Strafsteuer für die Gastronomie. In einer Umfrage von 2019 sprechen sich 83 Prozent der Konsumenten für ein Pfand auf Kaffee Einwegbecher aus. Viele Konsumenten überdenken und optimieren ihre täglichen Rituale, indem sie den eigenen Becher mitbringen oder Angebote wie den Pfandbecher ReCup nutzen. Unternehmen wie Kaffeeform in Berlin gehen noch einen Schritt weiter und upcyceln die Reste des boomenden Kaffee-Business, indem sie alten Kaffeesatz einsammeln (u.a. vom Co-working Space WeWork) und diesen zu einem stabilen Werkstoff pressen. Das Ergebnis sind wiederum Kaffeebecher.

Die Fluglinie Air New Zealand hat in einem ersten Versuch in Kooperation mit dem Unternehmen Twiice auf ihren Flügen essbare Kaffeebecher (mit Vanillegeschmack) angeboten, um den Abfall mit Einwegbechern zu reduzieren.

Auch beim Thema Transparenz werden neue Wege beschritten. Die junge Kaffee-Szene und Spezialitäten-Röstereien verzichten ganz bewusst auf das Fair-Trade Siegel und setzen stattdessen auf Direct-Trade. Warum? Der Begriff „fair“ ist anders als „bio“ nicht rechtlich geschützt, und auch wenn das Fairtrade Siegel sehr bekannt ist, wissen die meisten Konsumenten nicht, wieviel letztendlich bei den Bauern „ankommt“.

Einen anderen Weg geht die Kaffee-Kooperative.de aus Berlin. Sie nutzen das Fairtrade Siegel und arbeiten parallel dazu mit Hilfe von Software auf Basis der Blockchain-Technologie daran, mehr Transparenz zu schaffen, um möglichst die gesamte Wertschöpfungskette abzubilden.

Ähnlich wie in anderen Food- und Getränkekategorien wird das Thema Nachhaltigkeit zu einem wesentlichen Innovationstreiber – sei es in punkto Verpackung, Herstellung oder Herkunft.

Gerade weil Kaffee unser Dauerlieblings-Heißgetränk ist, muss sich die Branche dem wertorientierten Konsumverhalten seiner Kunden stellen. Besser schon heute als morgen.

 


Bildnachweise:

Header: Photo by Alexander Gilbertson on Unsplash

Dalgona Coffee: Photo by Isabela Kronemberger on Unsplash

Verve Flash via https://www.foodbev.com/news/verve-coffee-releases-two-new-flash-brew-coffee-products/

Calm Cold Brew Coffee: https://www.calmdrinks.co.uk/

Törnquist Café via https://www.whats-cooking.com/home/tornqvist

Bild Air New Zealand und Twiice essbarer Kaffeebecher via https://ecowarriorprincess.net/2019/12/climate-joy-john-kerry-and-arnold-schwarzenegger-team-up-to-fight-climate-change/air-new-zealand-edible-coffee-cups-from-twiice/