In diesen Tagen wird der Gang zum Supermarkt zur Live-Marktforschung, weil die mitunter leer gefegten Regale sehr schnell aufzeigen, welche Produkte zur Zeit besonders beliebt sind. Aus aktuellem Anlass wollen wir einen Blick auf Food „Trends“ im Kontext von Corona werfen.
Interessanterweise gewinnen in Corona-Zeiten genau die Lebensmittelkategorien an Popularität, die sich so gar nicht in aktuelle Food Trends einreihen lassen.
Beim „Hamstern“ spielen Low-Carb, alternative Proteine oder Fresh Convenience eine untergeordnete Rolle. Die Prämisse bei der Wahl der Lebensmittel ist logischerweise vor allem deren lange Haltbarkeit.
Nicht jeder, der hamstert gibt dies offen zu. Laut der brandaktuellen Konsumstudie von Marktforschungsinstitut Appinio vom 16.-17. März haben 43 Prozent der Befragten Hamsterkäufe getätigt oder haben es noch vor. Über die Hälfte der „Hamsterer“ (60 Prozent) hat einen Vorrat angehäuft, mit dem sie bis zu 10 Tage auskommen würden.
Der Lebensmittelhandel verkauft also gerade nicht nur ordentlich, sondern wird auch solche Warengruppen los, die zuletzt eher als „old school“ galten (Dosen- und Tütensuppen). Laut Zahlen der GFK sind in Deutschland die Umsätze beim Verkauf von Fertigsuppen im Lebensmitteleinzelhandel um 112 Prozent im Vergleich zur Vorwoche gestiegen (Stand: 06.03.2020). „Solche Ausschläge haben wir sonst nirgends”, sagte GfK-Experte Robert Kecskes der Deutschen Presse-Agentur.
Auch Konserven erleben eine Renaissance: Fisch- und Obstkonserven gingen um 70 Prozent nach oben. Gemüsekonserven hatten sogar einen Anstieg von 80 Prozent. Auch Teigwaren gehören zu den Gewinnern (Nudeln: +73 Prozent).
Der gesamte Lebensmitteleinzelhandel hat damit in der vorigen Woche über alle Waren ein Plus von 14 Prozent verzeichnet.
Während die Gewinner bei Food & Beverages Nudeln, Mehl, Konserven und TK-Ware sind – verlieren Alkoholika, allen voran Bier während der Krise. Der Virus macht vor allem dem weltgrößten Bierbrauer AB InBev mit Marken wie Beck’s, Budweiser, Stella Artois und Corona (sic!) schwer zu schaffen.
Dass kulturell unterschiedlich gehamstert wird mag aufgrund von anderen Ernährungsweisen nachvollziehbar sein – es gibt aber auch Unterschiede, die ein schmunzeln hervorrufen: So hat in den Niederlanden die Ankündigung der Schließung aller Coffeeshops für lange Schlangen gesorgt. In Frankreich werden hingegen Kondome und Rotwein knapp – eine romantische Mischung für die Zeit in der Quarantäne.
Kaufmuster in Zeiten von Corona
Konsumenten kaufen je nach Stadium des Corona Virus bzw. dessen Ausbreitung im Land unterschiedlich, wie eine aktuelle Nielsen Studie zeigt.
In den ersten beiden Phasen geht es noch um ein pro-aktives bzw. reaktives Einkaufen zum Thema Gesundheit und Hygiene. Diese Phase haben wir inzwischen hinter uns. Das wird spürbar an den nicht mehr verfügbaren Handhygiene-Produkten oder Mundschutz-Masken.
Die dritte Phase beinhaltet laut Nielsen die „Pantry Preparation“, in dieser Phase befinden wir uns im Moment. Der Supermarkt-Besuch wird strategisch geplant. Mit Einkaufsliste, zu frühen Uhrzeiten und unter Umständen mit dem Abklappern von mehreren Märkten hintereinander, weil die gewünschten Produkte nicht vorrätig sind.
Doch nicht nur wie wir einkaufen, sondern auch auf was wir bei Lebensmittel-Produkten achten, ändert sich durch Corona. Laut einer global angelegten Studie von Nielsen aus dem Jahr 2018 zum Thema Premiumisierung „waren die Verbraucher am ehesten dazu bereit, einen höheren Preis zu bezahlen, wenn Produkte mit hohen Qualitätsgarantien und Sicherheitsstandards versehen waren. Weltweit gaben 49% der Verbraucher an, dass sie in hohem Maße bereit seien, für diesen Vorteil einen Preisaufschlag zu bezahlen“.
Unter den aktuellen Voraussetzungen geht Nielsen nun davon aus, dass sich der Anspruch der Konsumenten in punkto Produktqualität und -wirksamkeit noch verstärken wird. Die Preissensibilität hingegen abnehmen wird.
Die Ableitung: zukünftig werden die Marken und Unternehmen gewinnen, die transparent und vertrauensvoll über Herkunft und Herstellung informieren. Regionale und lokale Produkte können ihren Siegeszug fortsetzen. Die Motivation für den Kauf mag sich verschoben haben: Neben Nachhaltigkeit geht es nun verstärkt auch um die persönliche Sicherheit.
Genuss auf neuen Wegen liefern
Während das „Hamstern“ eher als unsolidarisch betrachtet wird, gibt es auch zahlreiche Beispiele, die zeigen, wie unter erschwerten Bedingungen schnelle und innovative Lösungen gefunden werden, die auf das „Wir“ setzen.
Die Markthalle Neun in Berlin empfiehlt in ihrem Newsletter nicht nur zügiges Einkaufen mit Einkaufszettel, um die Zeit im Laden zu reduzieren, sondern kuratiert auch passend zur aktuellen Lage das Sortiment mit Produkten kleiner Hersteller:
„Es gibt wenige Dinge, die einen die aktuelle Situation vergessen lassen. Aber ein Teller Spaghetti mit Tomatensauce hat dennoch etwas Tröstendes – Sugo, der nach Kindheit riecht und schmeckt, wie von der Nonna gekocht“ und sensibilisiert gleichzeitig für die aktuell „kalten Küchen“ aka die Gastronomie, die wie so viele andere unter der Pandemie zu leiden haben oder kurz vor dem Aus stehen.
Markthalle Neun berichtet auch über die zahlreichen kreativen und innovativen Initiativen, die Mut machen. Wenn Kunden nicht mehr kommen wollen oder können, dann muss man sie auf anderen Wegen erreichen. Denn: gegessen wird immer. Die Frage ist wo und mit wem?
In Zeiten von Corona ist dies eher das Home-Dinner im engsten Familienkreis als das ausgelassene Essen mit Freunden im Restaurant. Aber: das muss kulinarisch nicht langweilig sein. Restaurants und Cafés lassen sich einiges Neues einfallen, um mit dieser neuen Situation umzugehen.
Das Mrs Robinson’s im Prenzlauer Berg bringt ein Steak Dinner for Two oder ein Luxe Brunch zum Selberkochen nach Hause. Und verpackt ihr Angebot mit allen Vorteilen, die ein Essen zuhause so mit sich bringt: „Endlich entspannt dinieren, ohne dass jemand Euer Outfit begutachtet oder ihr freundlich zum Kellner sein müsst“.
Das Café Fine Bagels bringt Bagels in Kombination mit Büchern nach Hause und nimmt Vorbestellungen an. Das hyperlokale Berliner Restaurant Nobelhart & Schmutzig bietet wöchentliche Care-Pakete an. Auf dem Corona Food-Blog des Berliner Stadtmagazins TIP „bleiben Genießer gut versorgt – mit Essen und mit Infos“, zugleich gibt es Ideen und Lösungsvorschläge rund um Corona im Kontext Gastronomie.
Auch Food-Delivery Dienste und Lieferangebote der Supermarktketten sind momentan besonders beliebt. Kontaktlose Übergabe inklusive. In den USA ist der Meal-Kit Lieferdienst Blue Apron hoffnungsvoll – aufgrund des Corona bedingten „Social Distancing“ stieg die Aktie laut Forbes Magazine um 70 Prozent und auch beim deutschen Wettbewerber HelloFresh ließ sich ein Plus verzeichnen. “Unsere sehr kurze und effiziente Supply Chain ermöglicht es uns, sehr schnell auf Nachfrageschwankungen zu reagieren.“ erklärt Saskia Leisewitz, Corporate Communications Manager bei HelloFresh gegenüber der Börsennachrichten-Seite Der Aktionär.
In den USA hat eine Umfrage von Gordon Haskett unter Verbrauchern außerdem ergeben, dass Lieferdienste wie DoorDash, Grubhub and Uber Eats sehr viel häufiger nutzen. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass Drive-Thru Services das Risiko minimieren würden, sich dem Corona Virus auszusetzen.
Rezepte gegen Corona-Tristesse: Zeit für DIY statt Dosenfutter
Tatsächlich hat die Corona Krise auch das Potential endlich mal all die Rezepte auszuprobieren, die man schon immer einmal machen wollte. Mit mehr Zeit in den eigenen vier Wänden gibt es keine Ausrede mehr, es nicht zu tun.
Die Markthalle Neun animiert ihre Leser, die heimische Küche zum Ort für Neues zu machen: „Setzt einen Sauerteig an und backt das Brot, für das Ihr sonst nie Zeit hattet. Legt weckgläserweise Salzzitronen ein oder – und das wollen wir Euch an dieser Stelle ganz besonders ans Herz legen – guckt in den nächsten Wochen dem Gemüse beim Fermentieren zu.“
Foodboom aus Hamburg hat auch jede Menge Ideen in petto: Diese reichen von leckeren Rezepten, mit denen man auf Basis der Einkaufs-Checklist des Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe leckere Gerichte kochen kann bis hin zu „Kochen mit Kids“.
Und auch die Food-Marken von Gruner & Jahr empfehlen unter dem Hashtag #stayathomeandcook passende “Zuhause-Rezepte”, die man mit den Lebensmitteln aus dem Vorratsschrank zaubern kann.