Naturwein, ein Begriff, der verwendet wird, um Wein zu beschreiben, der mit minimalen Eingriffen hergestellt wird, weckt immer stärker das Interesse der Verbraucher. Und zwar über den typischen Weintrinker hinaus. In diesem Artikel beleuchten wir, warum dies ein wachsender Trend ist, wo die Ursprünge liegen, wer ihn kauft und was als nächstes kommt.

Naturwein taucht zunehmend auf den deutschen Speisekarten und Influencer-Listen auf. Er wird immer beliebter und weckt das Interesse der Verbraucher, da viele Käufer nach natürlichen Produkten und neuen Geschmackserlebnissen suchen.

Für Getränkemarken bietet der schnell wachsende Markt für Naturweine die Möglichkeit, dank seiner Nachhaltigkeitsmerkmale, seiner gesundheitlichen Attraktivität und seiner Erzählung „aus der Natur“ eine neue Verbrauchergruppe zu erobern. Wir skizzieren die Chancenfelder und zeigen Early Adopters. Im einzelnen:

  • Ein wachsender Markt: Heute ist der Markt noch relativ klein, der Verkauf von Naturwein wächst allerdings schnell
  • Die Definition von Natur: Ohne formale Definition hat Naturwein breite Anwendungsmöglichkeiten
  • Neue Weintrinker: Eine neue Generation findet insbesondere das Storytelling von Naturweinen interessant
  • Gesundheit und Umwelt: Naturwein geht auf zwei wichtige Verbraucheranliegen ein
  • Bars, Menüs und Lieferung: Einführung eines neuen Produkts durch Erhöhung des Zugangs, der Informationen und der Zugänglichkeit

Aufgrund des wachsenden Interesses an Bio- und Naturprodukten bieten Naturweine eine Alternative zur klassischen Weinindustrie, die für Konsistenz und Präzision, auf Labor-Hefe, geschmacksbildende Enzyme, Tannine, Farbstoffe und Sulfite angewiesen ist.

Die aktuelle Naturwein-Bewegung hat ihre Wurzeln im Frankreich der 1960er Jahre, als Weinbauern im Morgon, im Beaujolais und im Loire-Tal begannen, mit biologischem und biodynamischem Anbau und schonendem Weinbau zu experimentieren.

Heute ist dieser Trend mit der nur lose definierten Produktkategorie der Naturweine verschmolzen. Es ist ein Sammelbegriff für Weine aus Bio-Trauben (ohne Pestizide oder Herbizide angebaut). Die Trauben werden dabei durch unterschiedlich starke, eingriffsarme Prozesse fermentiert und gereift. Das heißt: kein Zusatz von Hefe, keine Filtration, keine neuen Eichenfässer, keine Zusatzstoffe und die Vermeidung von “brutalen” Technologien wie Umkehrosmose, Thermo-Vinifikation oder Cross-Flow-Filtration.

Die EU erlaubt den Winzern die Verwendung zahlreicher Stoffe. Bei Naturwein ist gegebenenfalls nichts davon verwendet worden. (Copyright: www.vinsnaturels.fr übersetzt von Surk-ki Schrade) AVN ist die Association des Vins Naturel. vins S.A.I.N.S. ein französischer Verband, dessen Mitglieder auf die Zugabe von Schwefel verzichten.

 

Naturweine werden von Fans und Herstellern gemeinhin als „drinkable”, lebendig, frischer, heller und knackiger als konventionell hergestellte Weine beschrieben.

Da die Verbraucher immer mehr über Lebensmittelsysteme, die Herkunft ihrer Produkte und die zu ihrer Herstellung verwendeten Zutaten wissen, bietet der Markt für Naturweine dank seines geringen Interventionsethos eine bedeutende Chance für Marken.

Eine wachsende Chance

Der Naturweinmarkt ist aktuell noch relativ klein, Biowein machte 2019 lediglich 3,6% des weltweiten Konsums aus. Aber er wächst schnell: Der Konsum von Bio-Stillwein wird bis 2022 jährlich eine Milliarde Flaschen überschreiten, gegenüber 349 Millionen verkauften Flaschen im Jahr 2012.

Heute besteht der Markt hauptsächlich aus unabhängigen Labels und kleineren Winzern in ganz Europa, die etwa 90% der weltweiten Bio-Weinanbaufläche ausmachen. Italien, Frankreich und Spanien machen rund 79% der Bio-Weinproduktion aus, und Spanien hat in den letzten 10 Jahren bis 2019 ein Wachstum der Fläche für Bio-Weinberge um 522 % verzeichnet.

Allerdings steigen auch US-amerikanische Weingüter, die sich primär auf Kalifornien konzentrieren, in das Geschäft mit den natürlichen Weinen ein und wollen die europäische Vorherrschaft brechen. Selbst größere Weinmarken und -gruppen profitieren zunehmend von der wachsenden Popularität von Naturwein, indem sie Partnerschaften mit kleineren Weinproduzenten eingehen.

Die (fehlende) Definition von Natur

Im Gegensatz zu Weinen aus dem Bordeaux oder Champagner ist Naturwein nicht auf ein Anbaugebiet beschränkt oder definiert. Darüber hinaus werden die Produktionsanforderungen weder offiziell noch rechtlich von einem entsprechend autorisierten Gremium definiert, sodass die Hersteller selbst bestimmen können, was „natürlich“ ist.

Während diese vage Definition Teil dessen ist, was Naturwein zu einem Phänomen gemacht hat, stellt es die Qualitätskontrolle für organische oder biodynamische Weine natürlich vor Herausforderungen.

Im Jahr 2020 einigten sich die Hersteller in Frankreich offiziell auf eine Definition für Naturwein, und diejenigen, die dem zugelassenen Handelskonsortium beitreten und dessen Regeln für den Weinbau und die Weinherstellung befolgen, können ihre Weine als Vin Méthode Nature kennzeichnen. Vorerst bleibt das Label jedoch freiwillig.

Traditionelle Weinmarken sollten in Erwägung ziehen, Untermarken mit entsprechenden Naturwein-Referenzen zu schaffen oder neue Wege erkunden, um „anstößige Elemente“ (z. B. Schwefel) zu entfernen, um Naturweinliebhaber mit neuen Hybriden zu umwerben. Dem werden Wein-Puristen vermutlich nichts abgewinnen, aber es gibt ja einen größeren Markt darüber hinaus.

Neue Weintrinker

Der Trend zu natürlichen Weinen wird heute hauptsächlich von Millennials und älteren Verbrauchern der Generation Z angeführt, die bereits Interesse an „schwierigen, funky-fermentierten” Getränke gezeigt haben, darunter Craft-Biere, bittere Spirituosen, Kombucha und Apfelessig.

Es sind zwei Dinge, die die Liebhaber von Naturwein anziehen: Zum einen die „Trinkbarkeit“. Ein Beispiel ist der Gouglou (ein lautsprachlicher französischer Begriff, der der englischen Version von „glug-glug“ entspricht), eine beliebte Art von Naturwein, die leicht weggetrunken werden kann. Zum anderen sind es die Erzählungen und die Werte von Naturweinen, die z.B. die Bedeutung einheimischer Trauben, die Tradition und das Terroir als natürlichen Ausdruck der Kultur des jeweiligen Landes oder der Region hervorheben.

Im New Yorker erschien ein Artikel “How Natural Wine Became a Symbol of Virtuous Consumption“. Darin schreibt die Autorin: “Natürlicher Wein passt zum ängstlichen Konsum unserer Zeit. Zu Verbrauchern, die auf Wochenmärkten einkaufen, Craft Beer trinken und historische Tomatensorten in Farm-to-Table-Restaurants essen – und alarmiert sind über im Labor hergestellte Hefen und über Großkonzerne, die Trauben die mit dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat übergiessen”

Was heißt das? Naturwein profitiert von einer Wertekombination zwischen Natürlichkeit und Authentizität, die den Konsumenten mit der Idee verführt, dass Naturwein „wie er gemacht werden sollte“ hergestellt wird. Erfolgreiche Marken aus diesem Segment überzeugen besonders eine überwiegend jüngere Kohorte von Verbrauchern, die Wert auf Kulturerbe, Handwerk, Authentizität und natürliche Lebensmittel legen, sowie auf diejenigen, die statt konventionellem Wein Craft Beer oder Cocktails bevorzugen

Gesundheit und Umwelt

Abgesehen davon, dass er jüngere Verbraucher anspricht, bietet Naturwein eine überzeugende Option für gesundheits- und umweltbewusste Verbraucher aller Altersgruppen.

Die Verwendung einheimischer Rebsorten bei der natürlichen Weinbereitung (im Gegensatz zu angebauten Rebsorten, um auf Markttrends zu reagieren) kann natürliche Reben widerstandsfähiger gegen die Auswirkungen des Klimawandels machen, was für umweltbewusste Verbraucher attraktiv ist.

Es zieht auch gesundheitsbewusste Käufer aus allen Bevölkerungsschichten an, die ihr Wohlbefinden optimieren. Entsprechend wirbt eine Reihe von Marken für ihre Naturweine, dass diese dank reduziertem Schwefel und synthetischen Zusatzstoffen „keinen Kater“ produzieren.

Verbraucher, die aus gesundheitlichen Gründen vom Alkohol abgerückt sind, könnten mit Naturwein wieder angesprochen werden, indem Naturwein als gesündere Alternative ohne Zusatzstoffe präsentiert wird. Außerdem können Marken auch die Gelegenheit nutzen, ihre Umweltbilanz hervorzuheben, um ihre Attraktivität bei umweltbewussten Verbrauchern zu steigern.

Die Rolle der Gastronomie und Lieferservices

Die fehlende Bekanntheit beim Verbraucher ist aktuell eines der größten Hindernisse für ein noch schnelleres Wachstum von Naturweinen und macht Weinbars und Restaurants zu wichtigen Partnern für die Hersteller.

Der Trend wird bisher von unabhängigen Bars und Restaurants angeführt, in denen sachkundiges Personal zur Verfügung steht, um den Kunden den Hintergrund und die Vorteile von Naturwein zu erläutern. Bars bieten bereits Verkostungen an und suchen nach kreativen Pairings, z.B. Wein-Kombinationen mit Fischkonserven, die ein komplementäres Geschmacksprofil und Preisniveau bieten.

Auch Messen bieten die Möglichkeit, Verbraucher und Produzenten zusammenzubringen. Raw Wine ist eine Wandermesse für Naturweine, die jedes Jahr in New York und Los Angeles sowie in London, Berlin und Montreal stattfindet. Die Organisation begann auch, jedes Jahr eine Pop-up-Messe in einer neuen Stadt zu veranstalten.

Zugang, Information und Zugänglichkeit sind die Schlüssel für das Wachstum von Naturwein. Sie helfen Konsumenten eine Brücke von traditionellem zu natürlichem Wein zu finden, oder bringen Nicht-Weintrinker oder Craft Beer-Fans zum Naturwein. Auch Einzelhändler bieten inzwischen Verkostungs- und Meet-and-Greet-Möglichkeiten, um über die Attraktivität dieser Weine aufzuklären und die Unterschiede zwischen natürlichen und herkömmlichen Weinen zu veranschaulichen.

 


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Gruppenbild Naturweine: Bon Appétit